13/43

Rosemaries Baby

Performance/Collage nach dem gleichnamigen Film. 2006
presse
In eine helle, schattenfreie Wohnung ziehen Guy und Rosemarie, doch unterm Zimmerboden tun sich vier Kisten auf, gerade menschenlang, mit rotem Stoff ausgeschlagen und Kopfkissen versehen - so betten sich Vampire tagsueber.Der Hund als Kontrapunkt Hier sind es Anzug-und-Schlips-Traeger, die ihren "Aggressionsstau" durch Zerreissen eines Pappkartons loswerden wollen, die Hostien und weisse Kreuze vermehren wie Zellkulturen, einen 500-Euro-Schein verspeisen oder das Gesicht in rohes Fleisch stecken. Weder an die Macht von Moneten noch an sonstwas glaubt lediglich der Hund, der sich in eine der Kisten bettet und dessen kreatuerliche Gelassenheit ein exzellenter Kontrapunkt ist. Ach, da haetten wir beinah die kleine schwarze Maus im Glaskasten vergessen, die ist natuerlich auch ganz natuerlich. Und doch auch eine Erinnerung daran, wie gern der Mensch experimentiert. Der Hund, ein Muster an Abgeklaertheit, ist fast immer dabei in den Produktionen der Meinings, die von Fassbinder-Bearbeitungen bis zu Frankenstein und Hans im Glueck reichen. Die beiden Theatermacher nutzen aber auch allerlei moderne Medien gern, computergenerierte Klaenge, Video sowieso. Da wird gleich zu Anfang, quasi als Vorspiel, eine Talkshow "uebertragen": Blasierte Wichtigtuer sprechen ueber den Fall einer Klinik- Besetzung durch die Anhaenger irgendeines Propheten. Kann es sein, dass sie sich oeffentlich verbrennen?, fragt der Talkmaster hoffnungsvoll. Einerseits abstrahieren und ironisieren die beiden Regisseure forsch - ein Blecheimer wird als "Buch" ueberreicht, ein Batzen Teig "geklont". Andererseits aktualisieren sie, nicht nur die "Achse des Boesen" kommt dabei zur Sprache. Rosemaries Nachbarin Minnie darf sich aus einem Musterkoffer zwei huebsche Zellkulturen aussuchen (unser Bild), zwecks Reproduktion. Fragt sich nur, warum sie da noch all den Hokuspokus und eine gesunde junge Frau benoetigt, um sich ein Teufelchen zu schaffen. Ob das Baby aber nun wirklich der Teufel ist oder Rosemarie durch ihre Mitmenschen in Hysterie und Halluzinationen getrieben wurde - Polanski liess das offen, norton.commander ebenso. Ihr Blick auf Gluehendes, auf die Zeitlosigkeit des Boesen auch, ist ein kuehler. Sie setzen das Stueck gleichsam in einen Glaskasten, aber hinterm Glas funkelt es.

Frankfurter Rundschau

„Rosemaries Baby“ ist bei ncp kein historischer Nachkömmling, sondern wie neu ausgebrütet. Der Plot bleibt bühnenhaft knapp erzählt, wobei sich die teuflische Intrige sehr früh – deutlicher als bei Polanski – enthüllt. Darunter und darüber aber ziehen die Regisseure mit Textmaterial, Sound-Mix, Video und Fremd-Körpern eine Kommentarebene ein, die in ihren Mitteln ironisch, in ihren Behauptungen von moralischem Rigorismus ist. Aus dem zeitfernen Horror erwächst so eine Zeitdiagnose über unser – wie der „Spiegel“ jüngst befand – „Land des Lächelns“, in dem die Politik der Misere mit dieser Grimasse trotzt. Die schwarze Messe, die die Personen um Rosemarie – Ehemann Guy, das Nachbarspaar, der Gynäkologe Sapirstein – feiern, um die Geburt von Satans Sohn einzuleiten, nimmt den Charakter negativer Theologie an. Die Achse des Bösen biegt sich weit von Genmanipulation, den Memoranden von Ethik-Kommissionen, Geldfressern und Money-Makern zum religiösem Erweckungs-Wahn, Kreationisten und anderen falschen Propheten. Gewollt naiv wirkende Spielmittel setzen einen Kontrast, um die komplexen Zusammenhänge zu verlinken. So liegen die Satanisten-Manager wie Vampire in mit Satin ausgeschlagenen Grüften, tritt ein Klon-Agent mit einem simplen Musterkoffer auf, huscht zur künstlichen Befruchtung ein Mäuschen herbei. Der Schoß ist ganz anders fruchtbar noch, aus dem das Baby mit den gelben Augen kriecht. Das höllische Gelächter, das in „Rosemaries Baby“ diejenigen anstimmen, die die werdende Mutter manipulieren und in ihr System integrieren, wird einem noch lange in den Ohren gellen.

Theater Heute 5/06


Die junge Rosemarie findet sich plötzlich isoliert in einem unentrinnbaren Netz satanischer Machenschaften wieder. Aus der Perspektive der hilflosen jungen Frau vermischen sich Wahn und Wirklichkeit in unheimlicher, zutiefst verunsichernder Weise, bis schließlich Rosemarie in grausiger Erkenntnis fassungslos konstatieren muss: »Das ist kein Traum – das ist Wirklichkeit«